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Der Mönch Bahira

Bahira, ein christlicher Mönch, lebte im 6. Jahrhundert n. Chr. in einer kleinen Kathedrale in Bosra, im Südwesten des heutigen Syrien. Sein eigentlicher Name war Sergius und er gehörte zum arabischen Stamm der Benu Abdulqays. Bahira war ursprünglich ein Angehöriger der nestorianischen bzw. assyrischen Kirche. Als Schriftgelehrter hatte er fundierte Kenntnisse über den theologischen Wissensstand jener Zeit und kannte darüber hinaus wohl auch religiöse Fragmente aus vergangenen Epochen. So wird überliefert, dass er wahrscheinlich auch Zugang zu einigen verschollenen Suhuf gehabt haben soll, also göttliche Offenbarungen, die über die bekannten vier göttlichen Bücher hinaus herabgesandt wurden. In diesen hatte er die Zeichen für das Kommen des letzten Gesandten Allahs ﷺ  nahen sehen.

Bahira wurde der Häresie beschuldigt, weil er die göttliche Natur Jesu ablehnte und daran glaubte, dass der Eingottglaube die wahre Botschaft des Propheten Jesus gewesen sei. Er wurde aus der Kirche ausgeschlossen, worauf er sich nach Bosra zurückzog und sich fortan dem Studium religiöser Schriften widmete.

In der islamischen Geschichtsschreibung nimmt Bahira einen bedeutenden Platz in der frühen Prophetenbiografie ein. Sie beginnt, als er bereits einige Jahre in der Kathedrale von Bosra lebte. Das nahegelegene Damaskus war damals ein wichtiger Umschlagplatz für Waren, die von der arabischen Halbinsel kamen und umgekehrt aus dem Rest des Nahen Ostens dorthin befördert wurden. Die Handelskarawanen rasteten für gewöhnlich in der Nähe der Kathedrale von Bosra und zogen anschließend zu ihrem Zielort weiter. Für gewöhnlich ignorierte Bahira diese und widmete sich seinen Studien, doch eines Tages bemerkte er eine Karawane, die sich Bosra näherte. Ihm war eine Wolke aufgefallen, die sich mit der Karawane mitzubewegen schien und auch weiter über sie schwebte, als die Karawane in der Nähe der Kathedrale Halt machte. Es handelte sich um eine Handelskarawane, die von Mekka aufgebrochen war, um ihre Handelsgüter nach Damaskus zu bringen. Sie wurde von Ebu Talip, dem Onkel des Propheten Muhammed (saw) geführt. Ebu Talip hatte seinen verwaisten Neffen Muhammed ﷺ, der gerade erst zwölf Jahre alt war, auf dessen Wunsch hin mitgenommen. 

Bahira sandte einen Boten zur Karawane und lud alle zum Essen ein. Etwas verdutzt nahmen Ebu Talip und seine Begleiter die Einladung an. Sie waren verwundert, denn sie hatten schon öfter hier gerastet, doch es war das erste Mal, dass sie von den Mönchen eingeladen wurden. Sie ließen den kleinen Muhammed ﷺ bei der Karawane zurück und begaben sich in die Kathedrale. Als Bahira jedoch bemerkte, dass jemand fehlt, bat er darum, dass alle kommen sollten. Und so kam es, dass auch Muhammeds ﷺ sich zu ihnen begab.

Bahira interessierte sich sehr für den Jungen. Er stellte ihm mehrere Fragen und sah sich eingehend das Prophetenmal an, das sich zwischen den Schulterblättern Muhammeds ﷺ befand. Anschließend befragte er Ebu Talip zu seinem Neffen. Als er schließlich erfuhr, dass es sich bei Muhammed ﷺ um einen Vollwaisen handelte, wies Bahira Ebu Talip an, sich gut um seinen Neffen zu kümmern und ihn vor Leuten zu schützen, die ihm feindselig gesinnt sein könnten. Ebu Talip setzte daraufhin seine Reise fort und beeilte sich, um seinen Neffen schnellstmöglich wieder zurück nach Mekka zu bringen.

Bahira, der bereits seit Jahren die alten Fragmente mit den Zeichen für das Kommen des letzten Gesandten studierte, hatte in dem Jungen aus Mekka die Erfüllung der verkündeten Prophezeiungen erkannt.  

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